Streifzüge zwischen Gämsen und Enzian, spektakuläre Berg- und Seeblicke sowie echtes Hüttenfeeling: Bei der neuen Rofanrunde geht es abwechslungsreich in vier Etappen durch die Brandenberger Alpen am Achensee. Trittsicher und schwindelfrei sollte man in jedem Fall sein. Bergführer begleiten Gäste sicher über die markanten Passagen.
„Den Anreisetag darf man nicht unterschätzen“, warnt Thomas Nothdurfter. „Wenn man erst nachmittags ankommt und die erste Etappe unter Druck macht, kann sich das die nächsten Tage rächen.“ Der staatlich geprüfte Berg- und Skiführer weiß, wovon er spricht. Daher hat sich unsere Mini-Gruppe heute schon früh an der Talstation der Rofanseilbahn in Maurach gesammelt. Um der Mittagshitze zu entgehen, das neue Umfeld in sich aufzunehmen, sich einfach Zeit zu lassen.
850 Höhenmeter
850 Höhenmeter gilt es zu überwinden, „nur“ knapp fünf Kilometer sind es bis zum Ziel, der Erfurter Hütte. Am Anfang geht es noch gemütlich bis zur 1385 Meter hoch gelegenen Buchauer Alm, dann immer steiler über den Schützensteig zum Durrakreuz. Stehen bleiben, die Aussicht genießen: aufs Tiroler Meer – wie der Achensee als größter See Tirols oft genannt wird – und aufs bekannte Karwendelgebirge. „Schroff und felsig, mit Türmen, Zacken und Zinnen bestückt, da kann man sich fast nicht sattsehen“, schwärmt Thomas, der von Kindesbeinen an mit seinem Bruder Andreas in den Bergen rund um den Achensee unterwegs ist. Vor zehn Jahren haben sich die beiden mit „Bergsport Achensee“ selbständig gemacht.
Nach der Überwindung der Baumgrenze steht sie plötzlich da, wie man sich eine Schutzhütte des Alpenvereins vorstellt: Zwar neben der Bergstation gelegen (man kann die Tour also auch mit einer Seilbahnfahrt beginnen lassen), aber trotzdem traditionell und gemütlich, mit viel Holz; das Schlaf-Lager zum Glück unterteilt in mehreren Kojen, die für Abstand und Privatsphäre sorgen. Die Kaspressknödel und die Hirschwurz’n schmecken auf der Terrasse mit Ausblick zweimal gut.
Auf das Nötigste reduzieren
„Seids alle schwindelfrei“, fragt Thomas beim Zirben-Verdauungsschnaps nur halb im Spaß. „Dann machen wir uns jetzt an die Tourenplanung für morgen.“ Rot oder schwarz, Genussvariante oder Gipfelroute stehen zur Auswahl. Schnell ist klar: Lieber der längere Weg als die schwierigere Variante mit fast doppelt so vielen Höhenmetern und Klettersteig. „Ohne Klettersteig-Equipment hat man weniger Ballast dabei“, bestärkt der 44-jährige Guide die Entscheidung. Sein Rucksack sieht beneidenswert gut gepackt aus, kein Gramm zu viel. „Man sollte den Materialismus unten im Tal lassen und sich auf das Nötigste reduzieren“, ist sein kluger Rat.
Am nächsten Morgen geht es erst einmal bergab und flach dahin. Edelweiß und Enzian blühen zuhauf, Murmeltiere pfeifen, sind das dahinten Gämsen? Einfach mal mit allen Sinnen unterwegs sein, nicht mit der Stoppuhr. Da überquert sich das Rofangebirge wie von selbst von West nach Ost. Noch ein letztes Mal am Kransattel – von jeher ein markanter Übergang – die tolle Aussicht bewundern, dann winkt das Ende der rund neun Kilometer lange Tour: die Bayreuther Hütte. Freundlich werden wir von den Pächtern Susanne und Toni empfangen, beim Eintreten krachen die Holzplanken des alten Gebäudes. Seit mehr als 100 Jahren steht es hier und gilt zu Recht als „Mega-Aussichtshütte“. Von der Terrasse fällt der Blick bis nach Kufstein und zum Wilden Kaiser, auf die Zillertaler und Berchtesgadener Alpen, sogar bis zum Großvenediger.
…der Sonnenaufgang ein Geheimtipp
Die Nacht ist kurz – der Sonnenaufgang ein Geheimtipp. Andächtiges Schweigen, während die gewaltigen Zacken in sanftes Licht getaucht werden. Als das letzte Rosa verschwunden ist, heißt es auch schon Aufbruch. Schließlich steht heute die längste Etappe auf dem Programm: 1000 Höhenmeter bergauf, 7,5 Stunden, 11,9 Kilometer. Die Highlights sind unterschiedlich und vielfältig: Beim Marchgatterl blinkt der Zireiner See. Beim Passieren der Rofanspitze-Ostwand bereichern Felskletterer in luftiger Höhe die schroffe Szenerie. Auch unten am Boden ist Konzentration angesagt: Am Schafsteig kommen wir in seilversichertes, ausgesetztes Gelände. „Jetzt heißt es ruhig und langsam wandern sowie schön am Seil einhalten“, beruhigt uns Thomas. Hier sollte man wirklich trittsicher und schwindelfrei sein.
Geschafft – die Gesichter strahlen, nicht nur weil es endlich über den Enzianweg zur Dalfaz Alm geht, die für ihren guten Kaiserschmarrn bekannt ist. „Persönliche Erfolge sind wichtig“, weiß der Crack und ruft schon von weitem „Servus Renate“. Renate Moser verbringt seit mehr als 25 Jahren ihre Sommer auf der Alm. Seit Anfang Juni ist sie mit den Kühen und Schafen hinauf gewandert. Nur die vier Ferkel durften in der Materialseilbahn ganz entspannt in ihr Sommer-Refugium gondeln.
Renate ist immer überall, füttert die Tiere, richtet Gästezimmer und Frühstück her, nimmt Bestellungen auf, brutzelt zwischendurch leckeren Kaiserschmarrn und ist – zusammen mit ihrem Mann Georg und unterstützt von den zwei Töchtern – bis in die späten Abendstunden im Einsatz. Hier oben treffen Jäger, die zum letzten Büchsenlicht ausrücken, auf Wanderer und Einheimische auf Touristen. „Man taucht in eine andere Welt ein“, sagt Thomas. Stimmt: Abends geht es darum, wo es noch Wasser fürs Vieh gibt, wie der aktuelle Milchpreis steht und wo letztens der Blitz eingeschlagen hat.
Nach der letzten Nacht am Berg führt die Route gemütlich ins Tal. Jeder freut sich auf etwas anderes: „Ein heißes Bad“, „ein frisches T-Shirt“, „auf meine Frau“. Und Thomas? „Auf Abkühlung im Achensee.“ Er hat mal wieder den besten Tipp.
Weitere Informationen findet ihr hier: www.achensee.com